Männerrechtslobby im Familienrecht
„Wenn sich Eltern trennen, muss vor allem an das Wohl der Kinder gedacht werden!“ Stimmt. Aber Achtung: Wenn es dann darum geht, das vermeintliche Kindeswohl zu instrumentalisieren, damit gewalttätige Väter regelmäßiges Umgangsrecht erhalten und gewaltbetroffene Mütter als Gefahr für ihre Kinder dargestellt werden, verwandelt sich die feministisch-familienfreundliche Rhetorik in handfesten Antifeminismus. Und zwar in einen, der in Deutschland sehr gut organisiert ist. Dieser Antifeminismus hat es gerade in hoch emotionalen Debatten leichter, Gehör zu finden. Daher ist es umso wichtiger, an dieser Stelle klarzustellen: Im Folgenden liegt der Fokus auf Umgangsrechte im Kontext von Gewalt in Partnerschaften und Familien. Vätern wird NICHT generell der Umgang mit ihren Kindern abgesprochen!
In Deutschland und Europa hat sich eine antifeministische Männerrechtslobby entwickelt, auch Maskulisten genannt, die im Namen von „Väterrechten“ massiv Einfluss auf das Familienrecht ausübt. Diese Lobby argumentiert mit der unumstößlichen Notwendigkeit der Präsenz des Vaters für die Entwicklung des Kindes und fordert mehr Vaterschaft: Väter seien unter allen Umständen – auch wenn Gewalt oder Vernachlässigung vorlagen – notwendige Bezugspersonen und hätten ein Recht auf Umgang.
Die für Väterrechte genutzten Narrative strotzen vor Schuldverschiebungen: In Umgangsstreitigkeiten nach Trennungen werden Väter häufig als Opfer der übermächtigen Mütter dargestellt. Diese würden die Kinder mit Falschaussagen über die Trennung indoktrinieren und sie gegen die Väter instrumentalisieren. Den Selbstaussagen und Wünschen des Kindes/der Kinder könne aufgrund dessen auch keine Bedeutung beigemessen werden. Zudem stünde der Staat stets auf Seite der Frauen und würde diese bevorteilen.
Partnerschaftsgewalt wird dabei heruntergespielt, die Beweislast umgekehrt oder als Scheinargument der Mütter diskreditiert, welche versuchten, die Kinder vom Vater zu „entfremden“.
PAS als Instrument der Männerrechtler
Männerrechtler bringen seit Jahren das pseudowissenschaftliche „Parental Alienation Syndrome“ (PAS), zu Deutsch „Eltern-Kind-Entfremdung“ oder „Bindungsintoleranz“, in die Diskussionen um Umgangsrechte nach Trennungen ein. Es gibt sogar Versuche, PAS von der Weltgesundheitsorganisation WHO als Erkrankung anerkennen zu lassen – bislang zum Glück ohne Erfolg. PAS ist die Erfindung eines US-amerikanischen Kinderpsychiaters und besagt, dass der negative Einfluss des betreuenden Elternteils, also häufig der Mutter, zu einer Entfremdung und Verweigerung des Umgangs gegenüber dem anderen Elternteil, dem Vater, führe. Negative Reaktionen des Kindes auf den Vater seien nicht „natürlich“ – träten sie dennoch auf, sei das einzig und allein auf die „Manipulation“ durch die Mutter zurückzuführen. Jegliche Bedenken der Mutter bzgl. eines Umgangs mit den Kindern werden grundsätzlich negiert und deren Äußerungen wiederum zum Anlass genommen, der Mutter die Erziehungseignung abzusprechen.
Bei der Anwendung von PAS als Instrument für Väterrechte und entgegen des Willens des betroffenen Kindes geht es also kaum um dessen Wohl, sondern um einen Machtkampf gegen die Mütter und ihre Glaubwürdigkeit. Der Erfinder von PAS selbst hat bestätigt, dass seine Theorie nicht bei Gewalt, Vernachlässigung und Verdacht auf sexualisierte Gewalt anzuwenden ist.
Auswirkungen maskulinistischer Bemühungen
Schon seit Jahren zeigen all diese antifeministischen Diskussionen und Bemühungen Wirkung. Regelmäßig sprechen deutsche Gerichte Vätern, die zuvor massiv gewalttätig gegen Mütter und auch Kind(er) waren, das Umgangsrecht zu – und das selbst dann, wenn Expert*innen eine weiterhin bestehende Gefährdung durch den Vater attestieren. Gleiches geschieht in Fällen, bei denen Verdacht auf sexualisierte Gewalt gegen das Kind durch den Vater besteht. Gerichte folgen bei diesen Entscheidungen konsequent der Vorstellung, dass ein anwesender Vater besser sei als einer, der sein Kind nicht sehen darf.
Auch in andere Bereiche schleusen antifeministische Männerrechtler seit längerer Zeit ihre Ideen und Narrative ein, so etwa in Coachings für Verfahrensbeistände und Fortbildungen für Mitarbeitende von Jugendämtern, Beratungsstellen und Familiengerichten. In der Praxis können diese Narrative in Fällen von häuslicher Gewalt letztendlich zur Aushebelung des Gewaltschutzes und der Istanbul-Konvention führen.
Schlüsselfiguren der deutschen Männerrechtsbewegung stehen in Kontakt mit (inter-)nationalen Akteur*innen und Initiativen aus den Bereichen Anti-Schwangerschaftsabbruch, Anti-Istanbul-Konvention, Anti-„Genderismus“ sowie homo- und transfeindlichen Gruppierungen. Dazu gehören auch fundamentalistische und rechte Gruppen, welche die „traditionelle Familie“ in Gefahr sehen. Zusammengefasst lässt sich die maskulistische Männerrechtsbewegung aufgrund dieser Verknüpfungen mit anderen menschenverachtenden Ideologien als antidemokratisch einschätzen.